Obwohl sie jeden Morgen von den Glocken von St. Laurentius geweckt wird, liebt Antonie Scharfenberger deren Geläut.
Antonie ist 13 Jahre alt und besucht in Kürze die 7. Klasse in der Mörike Werkrealschule. Sie hat sich im kommenden Schuljahr für AES entschieden und freut sich auf Nähen, Kochen. Vor allem auf das Nähen. Immerhin hat sie sich selbst kleine Teufelshörner für ihren Ohrhörer genäht. Wenn das keine Voraussetzung für den fernen Berufswunsch `Mode Design´ ist! Als Nebenjob kann sie sich das Modeln vorstellen, so wie einst die Mama, die aus Prag stammt.
Wenn es irgendwann wieder möglich sein wird, möchte sie gerne einmal dorthin hinreisen.
Wenn es um Corona geht, versteht sie vieles überhaupt nicht und damit ist sie sicher nicht alleine. Eine Wut, ein Unverständnis ist da, wenn sie sagt, „die Regierung denkt nur noch mit dem Kopf, aber nicht mehr mit dem Herzen!“
Antonie hat noch einen jüngeren Bruder und ist mit ihrer familiären Situation sehr zufrieden.
Man kann sich lange mit Antonie unterhalten. Sie berichtet von den Störchen, die versuchten, sich auf dem Kirchturm von St. Laurentius häuslich niederzulassen. Und sie erinnert sich an die verletzte Taube, Bukau hieß sie, ein japanischer Name, die ein ganzes Jahr von der Familie gepflegt und gepäppelt wurde, bis sie im nächsten Frühjahr wieder in die Freiheit entlassen werden konnte und die seitdem immer wieder auf das Fensterbrett der Wohnung fliegt und ins Fenster späht.
Natürlich sind ihr die Freundinnen wichtig. Aber genauso wichtig war ihr, einer Nachbarin bei kleinen Verrichtungen des Alltags zu helfen. Einkaufen, kochen und dies und jenes zu tun. Nein, natürlich nicht für Geld! Ab und zu eine Tafel Schokolade war auch ´was Feines.
Schade findet Antonie, wenn sie nachts Betrunkene hört, wie sie sich daneben benehmen, ihren Unrat in fremde Mülltonnen füllen, sich an den Hauswänden erleichtern undr übergeben oder gar fremdes Eigentum beschädigen, so wie das teure Auto vom Onkel aus Bayern, der zu Besuch war.
Doch das alles löst sich auf, wenn sie an die Vielfalt der Stadt denkt, an die Plätze unter Bäumen, wo sich Menschen fröhlich in Eisdielen und Cafés treffen und die Stadt beleben. Das liebt Antonie und lässt sie schwärmen:
„Nürtingen, du bist eine ganz feine, kleine, gemütliche Stadt!“
Befragt und auf notiert von Angelika B. Lauppe, September 2021, Copyright